Hilfe kommt zu den Obdachlosen
DRK und Glücksspirale finanzieren mobile Behandlungseinheit
LANDKREIS. Erwin S. (56) lebt seit 14 Jahren auf den Straßen des Landkreises Schaumburg. Sein Bein sei kaputt, er habe Schmerzen, sagt er und winkt ab. Den Gang in eine Arztpraxis scheut er. „Ich bin nicht versichert – und die Füße sind gerade auch nicht so sauber“, meint er. „Ich gehe halt die meiste Zeit barfuß.“ Erwin S. und anderen Menschen, die aus der Bahn geworfen wurden, will der DRK-Kreisverband Schaumburg helfen. Das Rote Kreuz hat 73 500 Euro in eine mobile Behandlungseinheit investiert. Die Hilfe soll künftig zu den Bedürftigen kommen. Nicht umgekehrt.
Das ehrgeizige Projekt wurde mit 46 000 Euro von der Glücksspirale und mit Spenden aus der Bevölkerung finanziert. „Wir wissen, dass in Schaumburg die Gruppe der besonders benachteiligten Menschen, die von Obdachlosigkeit, psychischen Einschränkungen und Alkoholerkrankungen betroffen sind, stetig wächst. Wir wollen die Not der Menschen lindern und gehen dafür ganz neue Wege“, sagt der Präsident des DRK-Kreisverbandes Schaumburg, Bernd Koller, in Obernkirchen.
Die mobile Krankenstation soll im gesamten Landkreis unterwegs sein. „Das ist wichtig“, sagt Koller. „Es gibt in Schaumburg keine Konzentration von Obdachlosen in nur einer Stadt. Sie sind auf alle Mittelzentren verteilt.“ Schon alleine deswegen sei es notwendig, mobil zu sein. Deswegen habe sich das DRK für einen mehr als sieben Meter langen Anhänger entschieden. „Er kann schnell mit einem DRK-Lastwagen zum Einsatzort gebracht werden“, sagt Koller. Im hinteren Teil der „Klinik“ können Obdachlose von Kranken- und Altenpflegern untersucht und behandelt werden. Im vorderen Teil des Anhängers wurde ein Warteraum eingerichtet. „Die medizinische Versorgung in der neuen Betreuungsstation soll vor allem verhindern, dass es zu einer Unterbrechung oder Verzögerung von Hilfen, ärztlichen Therapien und Behandlungen kommt. Auch die frühzeitige Erkennung und Vorbeugung von Erkrankungen ist wichtig“, erklärt der DRK-Präsident die Intention des Kreisverbandes. Darüber hinaus sollen weitere Behandlungstermine bei Hausärzten vermittelt werden.
Auch Ralf Schütte von der Wohnungslosenhilfe Hannover freut sich über das Projekt. „Das ist eine feine Sache. Ich bin gespannt, wie das Projekt unter den Obdachlosen angenommen wird. Man kann da überhaupt keine Prognosen abgeben“, meint Schütte. Als Wohnungslosenhilfe wolle man natürlich das Projekt mit Kräften unterstützen. „Wir können vor allem bei der Vermittlung behilflich sein und Kontakte herstellen“, sagt Schütte.
Landrat Jörg Farr ist schon jetzt von der Arbeit des DRK im Bereich der Obdachlosenhilfe überzeugt. „Das, was die Ehrenamtlichen mit der Betreuungsstation leisten, ist toll und hat Vorbildfunktion“, sagt Farr. Der Landrat überreichte bei der Fahrzeugeinweihung einen Scheck. „Mit der kleinen Finanzspritze wollen auch wir das Projekt unterstützen“, erklärt Farr. „Wir können das Geld gut gebrauchen, wollen den Anhänger noch mit einem EKG-Gerät und einem Sauerstoffgerät ausrüsten – das kostet Geld“, sagt Koller.
„Wir sind sehr froh, dass es das Betreuungsmobil gibt. Zu verdanken haben wir das vor allem auch Mareike Voß-Gläser und Angela Nolting-Kerker“, betont Koller. Die beiden Krankenschwestern hätten mit ihrer Idee einen Stein ins Rollen gebracht, erklärt der DRK-Präsident. Alles hätte mit einer Frage ihres Sohnes angefangen, erklärt Mareike Voß-Gläser. „Er kam eines Tages zu mir und fragte mich, ob nicht ein Obdachloser bei uns im Gartenhaus wohnen könnte. Von diesem Tag an kamen bei mir selbst immer mehr Fragen auf“, sagt die Krankenschwester. Mit ihrer Kollegin habe sie dann beschlossen „die Sache in die Hand zu nehmen und ein Konzept zu erstellen“, erzählt Voß-Gläser. „Als die beiden zu uns mit ihrem Konzept kamen, wollten sie einen festen Raum für die Behandlung von Obdachlosen aufbauen. Ich hatte dann die Idee, einen Anhänger bauen zu lassen, mit dem wir die Hilfe zu den Menschen bringen können“, erinnert sich Koller.
Bevor das Betreuungsmobil im Herbst in den Einsatz gehen kann, muss noch etwas getan werden. „Wir müssen noch die Einsatzzeiten und -orte bestimmen und natürlich auch kommunizieren. Dabei sind wir auf die Informationen des Landkreises und der jeweiligen Städte und Gemeinden angewiesen, in denen sich die Wohnungslosen aufhalten“, sagt Koller.
Erwin S. freut sich über das neue Angebot und will bei den Ehrenamtlichen vom DRK vorbeischauen. „Die werden da schon nicht stinkig sein, wenn meine Füße etwas schmutzig sind“, meint er.