Eine Nacht auf der Autobahn
Stau auf der A 2: 121 Einsatzkräfte von DRK und Feuerwehr versorgen 4000 Menschen

Aus:Schaumburger Nachrichten Online vom 29 Juni 2016
Von Vera Skamira
LANDKREIS. Stillstand auf der A 2. Nach einem schweren Lkw-Unfall harren Tausende Menschen bereits seit Stunden in ihren Autos aus. Die Autobahnpolizei Garbsen bittet die Rettungsleitstelle in Stadthagen um Unterstützung. Die Wartenden müssen versorgt werden.
14.30 Uhr: Sofort wird ein Krisenstab – bestehend aus Feuerwehr, THW und DRK –eingerichtet. Das Feuerwehrgerätehaus in Rodenberg wird zur Versorgungsstelle. Getränkemüssen organisiert, 4000 Brötchen belegt und irgendwie zu den Menschen im Stau gebracht werden. Eine Rettungsgasse – Fehlanzeige.
Sechs Motorradfahrer der Kreisfeuerwehren Schaumburg und Nienburg sowie Einsatzfahrzeuge und Helfer des DRK machen sich bereit, auszurücken.
17 Uhr: Die ersten Einsatzkräfte haben sich mit den Motorrädern einen Weg durch den Staugebahnt. Verteilen Getränke an die Wartenden. Nun können sich auch die ersten Fahrzeuge des DRK auf ihren Einsatz vorbereiten.
19 Uhr: Die Motorradfahrer stellen die Wasserversorgung bald ein. Die Aufgabe übernimmt nun das DRK mit Sprintern. Auch Hygieneartikel wie Windeln werden benötigt.
Die Helfer auf zwei Rädern sind nun auf Erkundungstour: Braucht jemand medizinische Hilfe? Sind Busse im Stau oder Viehtransporter, die gekühlt werden müssen? Denn nicht nur Menschen müssen versorgt werden: Dem Fahrer eines mit Schweinen beladenen Lastwagensaus Cloppenburg wird eine Wasserversorgung per Feuerwehrlöschfahrzeug angeboten. Der lehnt nach einem Telefonat mit seinem Auftraggeber ab: „Nö, mein Chef sagt, ich brauche kein Wasser.“ Das sieht der Helfer des Versorgungseinsatzes anders: „Schöne Grüße an Deinen Chef, Du kriegst Wasser.“ Langsam wird der Transporter an eine Stelle geleitet, wo Wasser für das Vieh aufgenommen werden kann.
Schneller Einsatz ist auch in der DRK-Küche in Steinbergen und beim DRK-Ortsverein Rodenberg gefordert. Fleißige Helfer schmieren Brötchen und Fladenbrotviertel.
21 Uhr: Die ersten Brötchen können verteilt werden. DRK-Versorgungsfahrzeuge rücken aus,um das Essen unter den Gestrandeten zu verteilen. Auch auf den Umleitungsstrecken staut es sich. Die Einsatzkräfte erweitern den Versorgungsradius. Auch die Menschen, die auf den Umleitungsstecken um die Unfallstelle ausharren müssen, werden versorgt. Rettungswagenstehen ebenfalls bereit, um im Notfall sofort ihren Einsatzort zu erreichen. Medizinische Hilfewird glücklicherweise nicht benötigt.
3.45 Uhr: Endlich ist Aufatmen angesagt. Die Helfer beenden den Versorgungseinsatz auf der Autobahn. In den frühen Morgenstunden wird die Sperrung aufgehoben. Die Fahrzeugekönnen sich wieder in Bewegung setzen. Der Stau löst sich langsam auf.
Insgesamt 121 ehrenamtliche Einsatzkräfte von DRK und Feuerwehr sind bis zum frühen Dienstagmorgen im Einsatz. Wasser, Verpflegung, Babywindeln finden dankbare Abnehmer.„Bei den meisten ging der Daumen hoch, und oft hörte ich: Ihr seid Engel!“, berichtet Heiko Auhage, stellvertretender Ortsbrandmeister von Wiedenbrügge, der eines der Motorräder für den Versorgungseinsatz fuhr.
Insgesamt 4000 Essenportionen wurden an die im Stau Gefangenen ausgegeben. Vom Edeka-Lager Lauenau wurden unter anderem 1000 Aufbackbrötchen und 400 Fladenbrote, 40Kilogramm Schnittkäse und ebenso viel Wurst besorgt. Noch einmal so viel Lebensmittelhielt die DRK-Küche in Steinbergen vor. Der Getränkebedarf war ebenfalls riesig:Mineralwasser und Apfelschorle holte das DRK unter anderem aus einem Obernkirchener Getränkemarkt. „Wir haben Anke leergekauft“, sagt Bernd Koller, Präsident des DRK-Kreisverbandes und Katastrophenschutzbeauftragter.
Ein alt bekanntes Problem erschwerte die Versorgung jedoch erheblich: Die Autofahrerbildeten keine Rettungsgasse.
Einsatzfahrzeuge hätten einmal mehr schlechte Karten gehabt. Und das, obwohl Auhage und seine Kollegen auf den Motorrädern immer wieder versuchten, für möglichst freie Bahn zu sorgen.
Dass die in ihren Fahrzeugen ausharrenden Menschen schnell und ausreichend versorgt werden konnten, sei einer guten Organisation und der Kommunikation der beteiligten Institutionen zu verdanken. Die Zusammenarbeit lobte Koller als „phänomenal“.