DRK-Präsident weist bei Jahresversammlung Vorwürfe zurück
„Betrogen haben wir nicht!“
SZ/LZ, 01.10.2017
Autor: Michael Werk, Reporter
LANDKREIS/BAD EILSEN. Der aus den eigenen Reihen gegen den DRK-Kreisverband Schaumburg erhobene Vorwurf,
der Kreisverband habe sich durch Vortäuschen einer größeren Personalstärke seines Großschaden-Einsatzzuges Geld
erschlichen (wir berichteten), ist erwartungsgemäß ein zentrales Thema bei der in Bad Eilsen abgehaltenen
Jahresversammlung gewesen.
„Betrogen haben wir nicht“, erklärte Schaumburgs DRK-Präsident Bernd Koller hierzu. Der DRK-Kreisverband habe –
anders als in der Zeitung dargestellt – nicht mit „getürkten“ Namenslisten gearbeitet. Der „Witz“ sei vielmehr, dass die
kritisierten Listen von dem dafür seinerzeit zuständigen Kreisbereitschaftsleiter Otto Seidel selbst verantwortet worden
seien. „Also wir haben die gar nicht verantwortet, sondern der, der uns das heute vorwirft, war damals zuständig, diese
Listen zu erstellen“, betonte Koller.
Die erste dieser Listen habe Seidel im Januar 2015 „in der gleichen Art wie später“ erstellt und mit vollen Namen der
darin aufgeführten Rettungskräfte weitergegeben. Damit beim Landkreis über den aus Aktiven der einzelnen DRK-
Bereitschaften gebildeten Großschaden-Einsatzzug „freundlich verhandelt werden konnte – mit der Maßgabe: Sind hier
genügend Helfer da?“
Im Jahr 2017 sollte, so Koller, eine neue Liste abgegeben werden, weil bezüglich des Einsatzzuges ein neuer Vertrag
zwischen dem DRK-Kreisverband Schaumburg und dem DRK-Rettungsdienst e.V. abgeschlossen werden sollte. Denn das
entsprechende „Konzept des Großschadenereignisses“ sei im Mai 2016 bereits in Teilen fertig gewesen, sodass man habe
nachweisen müssen, dass der DRK-Einsatzzug für den Ernstfall genügend Leute habe. In Zahlen ausgedrückt: 33
Rettungskräfte einschließlich dreier Ärzte, „und das Ganze doppelt“, um personell durchhalten zu können. Daher gab es
laut Koller eine Liste vom 1. Juli 2016 mit wieder 148 Namen („das waren alle Helfer, die wir hatten“), die aus
Datenschutzgründen zunächst „anonymisiert“ war. Mit Einverständnis des Datenschutzbeauftragten des DRK-
Kreisverbandes sei diese dann aber am 7. November 2016 mit den Klarnamen der darin aufgeführten Rettungskräfte vom
DRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Hoffmann an den Landkreis weitergegeben worden. Dabei habe in dem
dazugehörigen Begleitschreiben auch gestanden, dass es sich hierbei um eine „Gesamtliste“ handele. Doch daraus habe
die Zeitung dann gemacht, „es war die falsche Liste und wir hätten betrogen“, so Koller. (Anmerkung der Redaktion:
Unserer Zeitung hatte Seidel eine Liste mit 148 Namen vorgelegt, bei der es sich um die vom DRK-Kreisverband an den
DRK-Rettungsdienst übermittelte Liste der Einsatzzug-Mitglieder gehandelt haben soll. Hinter 27 der 148 Namen hatte
Seidel ein kleines blaues Kreuz gesetzt, mit dem er nach eigenen Abgaben die Namen derer markiert hatte, die nicht mehr
im DRK seien – entweder weil diese ausgetreten oder gestorben seien.)
Da wegen des erhobenen Betrugsvorwurfes inzwischen die Staatsanwaltschaft gegen den DRK-Kreisverband ermittelt,
hat der DRK-Kreisverband nach Auskunft von Koller ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Anschuldigung
entkräften soll. Dies habe man von dem Staatssekretär a.D. und Rechtsanwalt Dr. Klaus-Henning Lemme sowie dem
Vorsitzenden Richter am Landgericht Bückeburg a.D., Börries Freiherr von Hammerstein, erstellen lassen; zwei
Fachleute, denen man auch glaube, „dass ein bezahltes Gutachten neutral und objektiv ist“.
Mit Verweis auf das laufende Verfahren erklärte Koller, dass man den Inhalt des 24-seitigen Gutachtens nicht in vollem
Umfang bei der Jahresversammlung verkünden dürfe. Allerdings könne man die Essenz daraus veröffentlichen. Dazu ließ
er ein Papier an die Veranstaltungsteilnehmer verteilen, dem „die folgende Zusammenfassung der gutachterlichen
Ergebnisse zu zwei der relevanten Fragen in wortwörtlicher Übertragung aus dem Gutachten“ zu entnehmen war:
„1. Hat der DRK Kreisverband Schaumburg absichtlich mit ‚getürkten Listen‘ gearbeitet? Das ist nicht der Fall. Eine
Täuschung des RD (Rettungsdienst; Anm. d. Red.) liegt nicht vor. Insbesondere ist eine absichtliche Verschleierung der
vertragsmäßig erforderlichen Personalstärke für ein GSE (Großschadenereignis; Anm. d. Red.) nicht ersichtlich. Dass der
für die Aufstellung der Listen verantwortliche Otto Seidel seinen hauptamtlichen Arbeitgeber täuschen oder sogar
absichtlich täuschen wollte ist nicht ersichtlich. Seine Befragung ist entbehrlich. ...“
„2. Kann dem DRK Kreisverband Schaumburg e.V. Betrug vorgeworfen werden? Das ist nicht der Fall. Der Tatbestand
des Betruges ist in § 263 StGB normiert. Voraussetzung für einen Betrug ist zunächst eine Täuschungshandlung des
Täters, durch die bei dem Anderen ein Irrtum erregt wird, der ihn zu einer Vermögensverfügung veranlasst, die sein
Vermögen schmälert, wodurch auf Seiten des Täters eine rechtswidrige Bereicherung erfolgt. Ein solches intellektuelles
Einwirken auf das Vorstellungsbild der Organe des RD durch Vorspiegeln, konkludentes Handeln oder Unterlassen der
Aufklärung liegt nicht vor. Fazit: Ein Betrugsvorwurf ist nicht gerechtfertigt. ...“
Koller will dieses Rechtsgutachten in den nächsten Tagen der ermittelnden Staatsanwaltschaft übergeben.
Weiter informierte er, dass der DRK-Kreisverband am 30. Oktober „versuchen“ werde, hinsichtlich der DRK-Bereitschaft
einen neuen Vertrag mit dem Rettungsdienst-Verein zu verhandeln. Denn eines könne man nicht: die Ärzte bringen. Was
ihn in diesem Zusammenhang „in Harnisch“ bringe, sei, dass es drei, vier Leute gebe, die „allen Ärzten“ gesagt hätten,
beim DRK-Kreisverband könne man nicht arbeiten, erklärte Koller. Dem DRK-Kreisverband seien deswegen sämtliche
Notärzte „auf Aufforderung“ abgesprungen. Zudem seien Aktive aus dem Einsatzzug herausgenommen worden. Dies vor
dem Hintergrund, dass man aber selbst „in den schlimmsten Zeiten“ immer auch auf andere Hilfsorganisationen wie
beispielsweise das THW habe setzen können, sodass man letztlich „immer einsatzfähig“ gewesen sei.
Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Koller später, dass die über das Schaumburger Land verteilten DRK-
Bereitschaften insgesamt 138 Aktive zählen. Dem Großschaden-Einsatzzug gehören davon aktuell 62 Rettungskräfte an,
wobei aber die Ärzte fehlen. Im Ernstfall würden die benötigten Ärzte allerdings vom Rettungsdienst-Verein gestellt,
sodass dadurch unterm Strich ausreichend Personal vorhanden sei.
Bei der Jahresversammlung widersprach Koller überdies einem in unserer Zeitung erschienenen Bericht, laut dem der
frühere Kreisbereitschaftsleiter Otto Seidel aus dem DRK-Kreisverband ausgeschlossen werden solle: Der Artikel „Auf
Schlagzeilen erfolgt Ausschluss“ suggeriere, dass bei der jetzigen Jahreshauptversammlung alle die Hand heben sollten
mit dem Ziel: „Otto fliegt raus“, meinte der Präsident, und stellte klar: „Nein, Otto fliegt nicht raus. Wenn das so
weitergeht vielleicht, aber wir haben das nicht vor.“
In diesem Kontext monierte Koller, dass seitens der Zeitung „sehr, sehr einseitig Menschen befragt“ worden seien, indem
man sich etwa nicht bei Thomas Knolle, dem neuen Kreisbereitschaftsleiter, erkundigt habe, was es mit Seidels
Ausschluss aus der DRK-Bereitschaft auf sich habe. Statt dessen sei der Vorwurf erhoben worden, der Kreisverband wolle
Otto Seidel rausschmeißen. Doch der Kreisverband habe damit gar nichts zu tun, da die diesem angehörenden DRK-
Bereitschaften jeweils „rechtsmäßig selbstständig“ seien und somit ihre eigenen Entscheidungen treffen. Und diese
würden mit Seidel nicht mehr zusammenarbeiten wollen, da Seidel „gelogen“ und die „Adressen“ der
Bereitschaftsmitglieder an die Presse weitergegeben habe. Von der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen, habe Seidel
bislang übrigens nicht gebrauch gemacht.